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Insulinsensitivität – Was ist das? Welche Bedeutung und Auswirkungen hat sie für dich?

Jan, 2023

Johannes Steinhart, Biomedizin (M.Sc.) & Trainer des Deutschen Fitnesslehrer Vereinigung e.V.

Im Zusammenhang mit Training und Ernährung hört man häufig das Wort Insulinsensitivität. In diesem Artikel soll darauf eingegangen werden, was die Insulinsensitivität überhaupt ist, wovon sie abhängig ist und wie man im Selbstexperiment einschätzen kann, ob man eine hohe oder eine niedrige Insulinsensitivität hat.

Was ist die Insulinsensivität?

Die Insulinsensivität oder auch Insulinsensibilität beschreibt, wie sensibel bestimmte Organe des Körpers auf das Hormon Insulin reagieren – insbesondere Leber, Muskel- und Fettgewebe sind von Interesse. Jemand mit hoher Insulinsensibilität benötigt weniger Insulin für eine bestimmte Reaktion als eine Person mit einer niedrigen Insulinsensibilität.

Man kann es sich schlicht als Empfindlichkeit vorstellen. Reagiert ein bestimmtes Gewebe empfindlich/sensibel auf ein Hormon, reicht eine kleine Dosis aus, um eine Wirkung auszulösen.

Das Gegenteil einer hohen Insulinsensitivität ist die Insulinresistenz. Dabei ist ein bestimmtes Gewebe unempfindlich/resistent gegenüber einem bestimmten Hormon. Es wird eine höhere Hormondosis benötigt, um eine Reaktion auszulösen.

Wovon hängt die Insulinsensitivität ab?

Es gibt zwei Faktoren, die die Insulinsensitivität bestimmen.

Zum einen gibt es eine genetische Komponente, die erklärt, warum eine Insulinresistenz in prädispositionierten Familien gehäuft auftritt. In Untersuchungen wurde gezeigt, dass die Insulinsensitivität von Mensch zu Mensch (mit dem gleichen KFA) stark variiert.

Beeinflussbar ist die Insulinsensitivität stark durch den Lebensstil (Ernährung, Stress und Aktivitätslevel) und insbesondere durch den Körperfettanteil. In Untersuchungen wird regelmäßig gezeigt, dass bei Fettabnahme die Insulinsensitivität erhöht und bei Fettzunahme die Insulinsensitivität gesenkt wird. Die Ursache hierfür liegt im Fettanteil deines Körpers. Je mehr du mit dir herumträgst, desto höher sind deine Blutspiegel an freien Fettsäuren. Diese wiederum verschlechtern die Wirksamkeit von Insulin.

Weiterhin korreliert ein Absinken der Insulinsensitivität mit zunehmenden Alter.1Insulin resistance with aging: effects of diet and exercise. Sports Med. 2000 Nov;30(5):327-46 Mit Maßnahmen hinsichtlich des Trainings und der Ernährung kann dem entgegengewirkt werden.

Insulinsensitivität und Muskelaufbau

Insulin ist bekannt für seine aufbauenden/einlagernden Eigenschaften in verschiedenen Geweben wie zum Beispiel Muskulatur, Leber, Fettgewebe. Vereinfacht ausgedrückt bestimmt es, wo die ankommenden Kalorien hingehen. Wünschenswert wäre aus der Sicht eines Bodybuilders eine hohe Insulinsensitivität der Muskulatur und eine niedrige im Fettgewebe; sodass der Großteil der zugeführten Energie für den Muskelaufbau verwendet und kaum etwas in neues Fettgewebe eingelagert wird.

Es ist wahrscheinlich, dass die genetische Elite genau diese Voraussetzungen mit sich bringt und damit von Natur aus mit überdurchschnittlicher Muskelmasse bei geringem Körperfettanteil gesegnet ist.

Einfluss von Training auf die Insulinsensitivität

Durch Kontraktion der Muskulatur kann die Insulinsensitivität erhöht werden. Dies erklärt die enorme Bedeutung  sportlicher Betätigung für die Gesundheit.

Deshalb profitieren Personen mit niedriger Insulinsensitivität davon, kohlenhydratreiche Mahlzeiten vorzugsweise nach dem Training zuzuführen, da die aufgenommenen Nährstoffe bevorzugt von der Muskulatur aufgenommen werden und weniger wahrscheinlich neues Fettgewebe gebildet wird.

Weiterhin führt die Entleerung von Glykogenspeichern (Kohlenhydratspeicher im Muskel und in der Leber) zu einer Erhöhung der Insulinsensitivität.

Einfluss der Ernährung auf die Insulinsensitivität

Auch was man isst, hat einen Einfluss auf die Insulinsensitivität.

Eine fettreiche Ernährung mit wenig Ballaststoffen verschlechtert die Insulinsensitivität. Im Gegensatz dazu verbessert eine kohlenhydratreiche, ballaststoffreiche Ernährung mit mehrfach ungesättigten Fetten und Fischöl die Insulinsensitivität.2Fukagawa NK, Anderson JW, Hageman G, Young VR, Minaker KL. High-carbohydrate, high-fiber diets increase peripheral insulin sensitivity in healthy young and old adults. Am J Clin Nutr.1990;52:524-528.3BrunzellJD, Lerner RL, Hazzard WR, Porte D Jr, Bierman EL. Improved glucose tolerance with high carbohydrate feeding in mild diabetes. N Engl J Med. 1971 Mar 11;284(10):521-4. PubMed PMID: 5100724.4Anderson JW, Ward K. Long-term effects of high-carbohydrate, high-fiber diets on glucose and lipid metabolism: a preliminary report on patients with diabetes. Diabetes Care. 1978 Mar-Apr;1(2):77-82. PubMed PMID: 729433.

Es gibt auch Situationen, in denen eine geringe Insulinsensitivität erwünscht ist.

Während einer Diät beispielsweise stellt eine Insulinresistenz der Muskulatur sicher, dass genügend Glukose für das Gehirn und andere Organe zur Verfügung steht. Weiterhin werden für die Energiegewinnung mehr Fettsäuren verbrannt.

Was bedeutet deine Insulinsensitivität für die Wahl deiner Diät?

Diejenigen, die mit Übergewicht zu kämpfen haben, kommen tendenziell eher aus dem Lager mit geringerer Insulinsensitivität, wobei auch insulinsensitive Menschen übergewichtig sein können.

Es gibt Personen, die besser auf kohlenhydratreiche und fettarme (LowFat) Diäten ansprechen, sowie Personen, die sich mit kohlenhydratreduzierten und fettreichen (Low Carb) Diäten leichter tun. Diejenigen, die sich mit LowCarb Diäten sehr wohl fühlen, haben oft massive Probleme mit LowFat Diäten und umgekehrt.

Insulin-sensitive women on the HC/LF diet lost 13.5 +/- 1.2% (p < 0.001) of their initial BW, whereas those on the LC/HF diet lost 6.8 +/- 1.2% (p < 0.001; p < 0.002 between the groups). In contrast, among the insulin-resistant women, those on the LC/HF diet lost 13.4 +/- 1.3% (p < 0.001) of their initial BW as compared with 8.5 +/- 1.4% (p < 0.001) lost by those on the HC/LF diet (p < 0.04 between two groups).5Cornier MA et. al. Insulin sensitivity determines the effectiveness of dietary macronutrient composition on weight loss in obese women. Obes Res. 2005 Apr;13(4):703-9. Link

Ein Erklärungsmodell dafür ist die Insulinsensitivität 6Cornier MA et. al. Insulin sensitivity determines the effectiveness of dietary macronutrient composition on weight loss in obese women. Obes Res. 2005 Apr;13(4):703-9. Link. Eine stark übergewichtige Person, mit einer niedrigen Insulinsensitivität bekommt bei großen Mengen an Kohlenhydraten (üblich bei LowFat Diäten) oft Probleme mit dem Hungergefühl. Damit wird es extrem schwierig, ein kcal-Defizit zu halten und die Diät langfristig erfolgreich durchzuführen. Nicht selten fühlen sich diese Personen sehr wohl mit LowCarb Diäten.

Andersherum sieht es für Elite Bodybuilder aus. In der Regel genetisch begünstigt durch eine hohe Insulinsensitivität, funktioniert eine LowFat/High Carb Diät oft hervorragend, wenn Sie denn in die Lage kommen, Fett abnehmen zu müssen.

Bedeutung der Insulinsensitivität für die Gesundheit

Nicht nur für eine Diät ist es entscheidend über die eigene Insulinsensitivität Bescheid zu wissen. Eines der größten Gesundheitsprobleme der Wohlstandsgesellschaft ist die Insulinresistenz, auch bekannt als Leitsymptom des metabolisches Syndroms. Sie kann als das Gegenteil einer hohen Insulinsensitivität gesehen werden.

Chronisch erhöhte Insulinspiegel sind ein Merkmal dieser Krankheit und die ständig erhöhten Blutzuckerwerte führen zur Schädigung verschiedenster Strukturen. Durch die schlechte Insulinsensitivität muss der Körper den Insulinspiegel ständig hochhalten und wesentlich höher ansteigen lassen als im gesunden Organismus, was die Insulinresistenz weiter verstärkt. Es muss betont werden, dass die Insulinresistenz eine sinnvolle Anpassung ist, um sich vor weiteren Schäden zu schützen. Wird allerdings über Jahre nichts dagegen unternommen, entwickeln sich schleichend Probleme.

Da eine Insulinresistenz mit einer Vielzahl von Volkskrankheiten in Verbingung gebracht wird (zB: Schlaganfall, Herzinfarkt, Diabetes, Bluthochdruck, Arthereosklerose, PCOS, Depressionen …) lohnt es sich von Seiten der Ernährung und des Trainings frühzeitig entgegenzuwirken. Eine Gewichtsnormalisation (Männer <15% KFA, Frauen < 25% KFA) und regelmäßiges Kraft- und Ausdauertraining bilden die Grundlage einer Verbesserung der Insulinsensitivität. Wobei das Krafttraining dem Ausdauertraining überlegen zu sein scheint.

Wie Insulinsensitivität bestimmen?

Es gibt eine Reihe von klinischen Methoden, mit Hilfe derer man in Studien die Insulinsensitivität exakt bestimmten kann. Dem Athleten zu Hause stehen diese Methoden meist nicht zur Verfügung.

Es gibt allerdings Möglichkeiten, die Zeichen einer hohen oder niedrigen Insulinsensitivität  erkennen und somit auf die eigene Insulinsensitivität schließen zu können.

Dabei richtet man ein Hauptaugenmerk auf die Reaktion des Körpers bei einer kohlenhydratreichen Ernährung.

Zwei einfache Fragen helfen weiter:

1.) Wie fühlst Du dich kurz nach einer kohlenhydratreichen Mahlzeit*?

a) energiegeladen/ fokusiert und aktiv?
b) eher müde und aufgebläht?

2.) Wie fühlst Du dich einige Zeit nach einer kohlenhydratreichen Mahlzeit*?

a) über mehrere Stunden auf einem stabilen Energieniveau?
b) oder fällst du innerhalb kurzer Zeit in ein Energieloch, wirst schläfrig und bekommst Hunger?

*Beispielsweise: Ein Teller Nudeln, Kartoffeln oder Reis

Die Antworten a) deuten auf eine hohe Insulinsensivität, die Antworten b) auf eine niedrige Insulinsensitivität.

Falls die Antworten b) auf dich zutreffen und zusätzlich ein oder mehrere der folgenden Gesundheitsprobleme auf zutreffen, kannst du von einer schlechten Insulinsensivität ausgehen:

  1. Übergewicht, vor allem Bauchfett
  2. Bluthochdruck (≥ 140/90 mmHg)
  3. erhöter Nüchternblutzucker (> 110 mg/dL)
  4. schlechte Blutfettwerte (Triglyceride > 150 mg/dl)

Dies sind die Risikofaktoren eines metabolischen Syndroms, mit Insulinresistenz als Leitsymptom.

Bildquelle: By User Meiquer (English wikipedia) [GFDL (www.gnu.org/copyleft/fdl.html)], via Wikimedia Commons

Kommentare (2)

  1. Dominik sagt:

    Bringt genau das auf den Punkt, was ich in den letzten Monaten selbst festgestellt habe – ich habe wohl eine niedrige Insulinsensitivität – noch.

    1. Dr. med. Dominik Dotzauer sagt:

      Kommt Zeit, kommt niedrigerer KFA & bessere Insulinsensitivität. ;)

Kommentare geschlossen.


Über den Autor

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Johannes Steinhart ist Master of Science (M.Sc.) in Biomedizin & Ernährungswissenschaften sowie Fitnesstrainer der Deutschen Fitnesslehrer Vereinigung (DFLV). Seine Passion ist es, wissenschaftliche Erkenntnisse zu Abnehmen, Muskelaufbau und Gesundheit unabhängig, verständlich und praxisnah darzustellen und verbreitete Unwahrheiten zurückzudrängen. Johannes ist Gründer von science-fitness.de (SF). Jedes Jahr erreicht er über 2 Mio. Leser. Außerdem ist er Autor von aktuell 6 Büchern. Mehr.

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